Logbuch der RUNAWAY

Donnerstag, 15. Januar 2015 – Nach zwei Tagen Aufenthalt in der Bucht von Boqueron, Puerto Rico, lichten wir den Anker und setzen die Segel Richtung Dominikanische Republik. Wir haben Frischwasser aufgenommen und den Dieseltank aufgefüllt.

Die Passage zwischen Puerto Rico und der D.R. kann tückisch sein. Unser Skipper Reinhard hat die Seewetterprogose gecheckt und befunden, dass es in der kommenden Nacht sicher genug ist. Wind und Strömung gehen in Fahrtrichtung. Zunächst haben wir ausreichend Wind und nur leichte, achterliche Wellen (von hinten). Wir hissen nur die Genua (Vordersegel) und nehmen rund 5-6 Knoten Geschwindigkeit Fahrt auf. Die Entfernung zu unserem Zielhafen, der „Marina Casa de Campo“, beträgt 120 Nautische Meilen (eine NM beträgt 1.852 Meter). Wir werden voraussichtlich 24 Stunden für die Überfahrt benötigen.

Die Sonne scheint und es gibt, außer für den Steuermann, nicht viel zu tun. Frank möchte es mit der Angel probieren und es dauert auch nicht lange, bis ein gar nicht so kleiner Fisch am Haken hängt. Beim Reinholen merken wir jedoch, dass es leider ein Barracuda ist. Der würde wohl schon gut schmecken, es wird aber weltweit vor dem Verzehr dieses Fisches gewarnt, da die Wahrscheinlichkeit besteht, dass er mit Keimen belastet ist, die Lähmungserscheinungen auslösen können. Dummerweise hat sich der Haken auch noch so böse in seinem Maul verfangen, dass er seitlich herausschaut. Frank hält dem Fisch die Augen zu und löst mit Mühe den Haken, bevor er ihn wieder ins Meer wirft.

In dieser Gegend zieht man überwiegend Barracudas aus dem Wasser..

In dieser Gegend zieht man überwiegend Barracudas aus dem Wasser..

Mit etwas Glück wird der Fisch das überleben. Wir lassen das Angeln erstmal, da wir hier wohl überwiegend Baracudas fangen würden. Am späten Nachmittag flaut der Wind ab. Reinhard wirft die Motoren an, die Genua bleibt aber erstmal stehen. Das spart Sprit, solange der Wind nicht zu schwach wird.

Wir kommen in Sichtweite der großen, unbewohnten Insel „Isla e Mona“, auf der es wohl nur eine Rangerstation gibt, da es sich um ein Naturschutzgebiet handelt. Sie gehört noch zu Puerto Rico, liegt also innerhalb US-Territoriums. Wir sehen in der Entfernung ein Schiff, der zunächst näher kommt und dann ganz eindeutig Kurs auf uns nimmt. Es kann sich also nur um die Küstenwache handeln (oder um in der Karibik mittlerweile selten gewordene Piraten;-). Per Funk auf Kanal 16 werden wir aufgefordert, uns zu identifizieren. Skipper Reinhard versucht, über unser Bordfunkgerät zu antworten, dies wird aber von der Gegenseite nicht gehört. Nochmals hören wir „This is US Coast Guard calling Sailing Vessel.. [und die Position] ..do you copy?“. Reinhard versucht es mit dem Handfunkgerät und nun hört uns auch die Gegenseite. Die Küstenwache, deren Boot inzwischen nur noch 100 Meter entfernt längsseits unseres fährt, stellt uns nun einige Fragen zu Boot, Besatzung, Abfahrts- und Bestimmungshafen. Nachdem wir alles beantwortet haben, wollen sie noch netterweise wissen, ob wir unsererseits etwas benötigen. Als wir dies verneinen wünschen sie uns einen schönen Abend und entfernen sich erst langsam wieder, nachdem sie uns noch eine gute Viertelstunde begleitet haben. Hier draussen ist nicht viel Verkehr und da ist es eigentlich ein gutes Gefühl, wenn jemand in Funknähe ist.

Es wird langsam dunkel und der Wind wird so schwach, dass wir die Genua einholen und nur unter Motor fahren. Reinhard teilt die Nachtwache ein, jeder von uns muss drei Stunden übernehmen. Er instruiert uns hinsichtlich Kurs und der Beobachtung der Instrumente und dann geht ein Teil von uns schlafen. Judy hat die erste Wache von 21-24 Uhr. Dann ist Frank an der Reihe, bis drei Uhr morgens. Ich stelle meinen Handy-Wecker und stehe um kurz vor drei Uhr auf, ziehe Hose, Jacke und Rettungsweste an und mache einen Kaffee. Dann löse ich Frank ab und nun liegt die Verantwortung für die Sicherheit von Boot und Mannschaft bei mir. Ich halte konzentriert Ausschau und nehme auch regelmäßig das Fernglas, um mir Ungewöhnliches näher vors Auge zu holen. Noch ist es sternenklar. Der Sternenhimmel ist so voll, wie er wegen des „Lichtsmogs“ in den dicht besiedelten Regionen für uns nur selten zu sehen ist.

Reinhard schläft wenige Meter entfernt auf der Salonbank, um jederzeit – im Fall der Fälle – ansprechbar zu sein. Er wacht regelmäßig –ungefähr jede Stunde – auf, schaut auf den neben ihm stehenden Laptopbildschirm, um zu sehen, ob wir noch auf Kurs sind, und geht dann wieder schlafen.

Die See ist ruhig. Die Wache erlaubt mir, meinen Gedanken nachzuhängen und Ideen zu spinnen. Dann kommt eine große dunkle Wolke von hinten und es regnet kurz, bis sie über uns hinweggezogen ist und der Himmel wieder aufklart. In der Entfernung überholt uns ein Kreuzfahrtschiff. Es leuchtet wie eine Geburtstagstorte in der Nacht. Erst gegen sechs Uhr wird es hell. Als Reinhard aufsteht, setzen wir das Hauptsegel. Der Wind hat aufgefrischt. Ich gehe schlafen.

Am späten Vormittag erreichen wir die Marina Casa de Campo. Zunächst tanken wir Diesel nach und werden dann von den Dock Tenders an einen freien Platz am Steg eingewiesen. Nun kommen auf einen Schlag kommen acht Offizielle in Uniform an Bord, um mit uns die Einreiseformalitäten durchzugehen. Jeder „Abgesandte“ will eine Gebühr erheben: wir fühlen uns wie in einer Bananenrepublik. Obwohl wir keine Tiere dabei haben, gibt’s eine Tierquarantänegebühr. Am Ende zahlen wir insgesamt 245 US-Dollar. Dafür ist die Liegegebühr relativ günstig, nur 38 US-Dollar pro Nacht. Im Mittelmeer zahlt man leicht das Doppelte bis Vierfache. Wir richten es uns in der Marina ein und entdecken nach und nach das riesige Ressort, zu dem der Yachthafen gehört.

http://marinacasadecampo.com.do/

Das Gelände ist so groß, dass man hier mit Golf-Karts umherfährt bzw. gefahren wird. Und ist klar: dies ist nicht die wahre Dominikanische Republik, sondern eher ein Phantasialand für reiche Menschen. Es gibt einen Hubschrauberlandeplatz und sogar ein komplett nachgebautes toskanisches Dorf mit Dorfkirche und römischen Amphitheater (!). Die Preise der Gastronomie sind auf nicht unbedingt landestypisch. Eine Dose Cola am Ressort-Hotelpool schlägt mit rund 5 Euro zu Buche.

Das Ambiente passt, die Sonne läßt heute etwas auf sich warten..

Das Ambiente passt, die Sonne läßt heute etwas auf sich warten..

Dafür sind der Pool und die Handtücher für uns inklusive. Wir fahren mit unserem „Dinghy“, dem Schlau-Beiboot in den Fluß, der an das Ressort angrenzt. Hier soll eine Szene des Films „Apocalypse Now“, dem Klassiker des Vietnamkriegsfilms, von Francis Ford Coppola mit Marlon Brando, gedreht worden sein. Wir versuchen uns vorzustellen, welche das gewesen sein könnte.

Wir kaufen im Marina-Supermarkt ein und kochen an Bord. Nebenan liegt eine große Motoryacht mit Kanadiern an der Pier, mit denen wir uns anfreunden.

In den gesamten drei Tagen in Casa de Campo verlassen wir das Ressort so gut wie nicht. So langsam geht uns die künstliche Umgebung hier auf den Wecker und wir machen am 19. Januar die Leinen los, um zur nahegelegenden Insel „Isla Catalina“, zu der tagsüber zwar das Partyvolk gekarrt wird, wo wir uns aber nachts die abgelegene Ruhe eines Eilandes versprechen. Als wir nachmittags ankommen, werden die Tagesgäste gerade aus der schönen Bucht auf die Boote gebracht. Binnen zwei Stunden ist die Insel bis auf wenige Einheimische wie ausgestorben: Für heute. Wir ankern, schnorcheln ein wenig und machen uns für den Sundowner bereit. Nach Einbruch der Dunkelheit gehen wir zeitig schlafen. Am Morgen dröhnt ein dumpfes Schiffshorn in der Bucht. Ich springe auf und schaue durchs Bullauge. Nicht zu fassen: Ein Kreuzfahrtschiff ist eben dabei vor unserer kleinen Briefmarken-Insel zu ankern. Wir ahnen, was nun kommt: hier werden heute über Tausend Tagesgäste an Land gebracht. Vorbei mit der Ruhe. Wir beobachten das Schauspiel der vielen Boote, die nun zwischen der „Costa Magica“ und der Insel hin- und herpendeln, mit leichter Verärgerung, aber auch belustigt. Wenigstens liegt das Schwesterschiff der „Costa Concordia“ nicht auf der Seite…

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